Auswirkungen von COVID-19 auf die Bauindustrie

Befragt wurden 400 führende Vertreter aus der Bauindustrie, darunter knapp 40% aus Europa.

Es ist kein Geheimnis, dass die Bauindustrie nicht nur in Bezug auf den niedrigen Produktivitätszuwachs von 1% sondern vor allem auch im Bereich der Digitalisierung das Schlusslicht bildet. Laut dem McKinsey Industry Digitization Index ist nur noch Agriculture and Hunting schlechter digitalisiert – das sollte uns längst zu denken geben:

Gleichzeitig fällt allerdings in dem Ranking auch auf, dass Real Estate deutlich vor Construction liegt und sogar als Digital Leader innerhalb der weniger digitalisierten Branchen bezeichnet wird – also ein weiteres Signal für die Bauindustrie.

Oft hört man noch den Spruch “haben wir immer schon so gemacht, wir haben aktuell keine Zeit für die Digitalisierung”. Parallel zur Digitalisierung hinkt die Bauindustrie allerdings auch beim Wachstum anderen Industrien ordentlich hinterher, wie diese Darstellung aus dem McKinsey “Reinventing Construction” Paper zeigt:

Die aktuelle Studie fasst die Gründe hierfür anschaulich zusammen – Bauprojekte sind komplex und stets mit neuen / steigenden Anforderungen verbunden, gleichzeitig haben wir mit zunehmendem Fachkräftemangel zu kämpfen.

Es ist keine Neuigkeit, dass die Bauindustrie digitalisiert werden muss – dieser Prozess hat auch bereits angefangen, allerdings wird er durch die COVID-19 Auswirkungen beschleunigt. Sich nicht mit der Digitalisierung zu beschäftigen ist ein Luxus, den wir uns nicht mehr leisten können.

Die McKinsey Studie beschreibt auch andere wichtige Faktoren – wie etwa die Industrialisierung sowie die Einführung neuer Materialien und Geschäftsmodelle, die in diesem Diagramm zusammengefasst sind:

Dies alles führt zu 9 Faktoren (oben in der Mitte), die unsere Zukunft prägen werden:

  1. Produktorientierung
    Das Bauen wird zunehmend von der Baustelle in Fabriken verlagert, wo Gebäudeteile ähnlich wie Fahrzeuge in Fertigungsstraßen anhand definierter Module automatisiert zusammengebaut und anschließend vor Ort lediglich zusammen gesetzt werden.
  2. Spezialisierung
    Um wettbewerbsfähig zu bleiben, wird mit einem hohen Spezialisierungsgrad gerechnet, bei dem einzelne Firmen in bestimmten Bereichen (Nischen) die höchstmögliche Qualität und Expertise bieten können.
  3. Höhere Ausnutzung der Wertschöpfungskette
    Das Planen und Bauen ist heute stark zergliedert. In der Zukunft werden wir stärker zusammen rücken müssen, um das volle Potential von neuen Technologien wie BIM ausnutzen zu können.
  4. Zusammenwachsen
    Bedingt durch die bereits erwähnte Produktorientierung und Spezialisierung werden viele Bereiche stärker zusammenwachsen.
  5. Kundenzentrierung und Markenbewusstsein
    Heute herrscht in vielen Bereichen das Motto “der Günstigste bekommt den Zuschlag”. Mit steigenden Anforderungen und Qualitätsanspruch wird sich allerdings auch dieser Punkt ändern und stark beeinflusst werden von der Marke und dem Ruf eines Unternehmens hinsichtlich der Qualität seiner Serviceleistungen.
  6. Investition in Technologie und Anlagen
    Durch die Produktorientierung werden wir zwangsläufig nicht nur mehr in Fertigungsanlagen, sondern auch in neue Technologien wie Roboter und Automatisierung investieren, sowie neue Themenfelder entdecken.
  7. Investition in Mitarbeiter
    Alle bereits genannten Bereiche sind ohne geschulte und engagierte Mitarbeiter nicht möglich, daher werden Themen wie Weiterbildung und Mitarbeiterentwicklung eine immer wichtigere Rolle einnehmen.
  8. Globalisierung
    Bedingt durch die Standardisierung wird es zukünftig zunehmend einfacher, auch grenzübergreifend seine Leistungen anzubieten. Dieser Prozess könnte allerdings durch COVID-19 etwas verlangsam werden.
  9. Nachhaltigkeit
    Themen wie CO2-Bilanz von Gebäuden und die Auswirkungen der Bauindustrie auf den Klimawandel spielen eine zunehmend wichtige Rolle und werden noch stärker in den Vordergrund rücken.

Laut McKinsey sind in den nächsten 15 Jahren weltweit zusätzliche Gewinne von bis zu 265 Mrd. US-Dollar pro Jahr im Bausektor möglich – aktuell scheinen wir freiwillig auf diese zu verzichten. 

COVID-19 hat sich bisher als ein großer Digitalisierungstreiber erwiesen. Es wird und sollte nicht mehr so werden “wie vorher” – vielmehr sollten wir gestärkt daraus hervorgehen und zukünftig nicht nur besser für ähnliche Situationen gewappnet sein, sondern auch unsere Produktivität steigern. 

Link zur Studie auf McKinsey.com

1 Kommentare
  1. Hallo Frau Secerbegovic,

    Sie nennen ein paar interessante Punkte. Nur: Die Baubranche ist vielfältig.

    zu Punkt 1:
    In einigen Bereichen wird durch den Einsatz von Fertigteilen sicherlich eine signifikanter Produktivitätssteigerung möglich sein. Doch hoffe ich nicht, dass hiermit die Renaisance der Plattenbauästhetik nach sozialistischem Muster aus dem Ostblock/der DDR gemeint ist – das schreibe ich als geborener Sachse ;).

    zu Punkt 2:
    Dies trifft heute bereits teilweise zu. Nur – daraus ergibt sich nicht per se eine erhöhte Produktivität durch oder mit dem verstärkten Einsatz von digitalen Arbeitsmitteln. Geringere Konkurrenz am Markt führt eher zu einer Reduzierung des Produktivitätszuwachses…der „Marktdruck“ fehlt ja.

    zu Punkt 3:
    Ob die heilige Dreifaltigkeit in D bestehend aus Bauherr – Planer – Auftragnehmer tatsächlich nach dem Modell „Rest der Welt“ aufgebrochen wird, wird sich zeigen – und ob dies zum Wohle der Qualität ist ebenso.

    zu Punkt 4:
    Hier ist abzuwarten, ob sich, dem üblichen Muster in vielen Bereichen der Wirtschaft folgend (die IT-Branche ist sicherlich ein unrühmliches Beispiel), Oligo- oder sogar Monopole aus der aktuell noch bunten Mischung an Firmen konglomerieren werden.

    zu Punkt 5:
    Dies hängt in nicht unerhebichem Maße von gesamtwirtschafltichem Umfeld ab.

    zu Punkt 6:
    teilweise ja, im Bereich des Um- und Anbaus und in vielen speziellen Baubereichen (in meinem Falle die Wasserwirtschaft und Siedlungswasserwirtschaft) trifft dies eher weniger zu.

    zu Punkt 7.
    wohl war

    zu Punkt 8.
    Die Baubranche ist eher konservativ…dies spiegelt sich auch in der Branchensprache wieder. Und die Sprache (zumal die deutsche) ist immer noch ein massives Hindernis für Globalisierung. Und: ohne inländische Dienstleister wird auch „der Chinese“ am deutschen Genehmigungswesen scheitern.

    zu Punkt 9:
    wohl war…nur ist das eher ein Hemmnis im Hinblick auf Produktivitätssteigerung…Digitalisierung hin oder her.
    Die Überregiulierung seitens der Behörden nimmt immer grotestkere Züge an. In den Behörden arbeiten mehr und mehr „Verwaltungsfachangestellte“ welche vom Bau keine Ahnung haben und den Planer mit sinnlosen Forderungen gängeln.

    Glück auf aus Freiberg/Sachsen
    M. Bucher, aqua-saxonia GmbH

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