Vor ein paar Monaten hatte ich die Gelegenheit, mit zwei der führenden IFC Experten über die Zukunft der Interoperabilität in AEC zu sprechen: Léon van Berlo, Technischer Direktor bei buildingSMART International, und Angel Vélez, Distinguished Engineer bei Autodesk. Das Gespräch drehte sich um alte Probleme – und eine neue Hoffnung: den kommenden Standard IFC 5.
Das ganze Gespräch könnt ihr euch auf Youtube ansehen – in diesem Artikel fasse ich das Gespräch zusammen und gebe ein paar Gedanken mit auf den Weg.
Warum eine neue IFC-Version nötig ist
Trotz seiner zentralen Rolle im offenen Datenaustausch hat IFC in den letzten Jahren immer wieder Kritik geerntet – zu schwerfällig, zu komplex, zu langsam. Tatsächlich basieren die aktuellen Standards noch immer auf STEP-Technologien aus den 1980er-Jahren. Doch, wie Léon van Berlo betont, steht Reife oft für Verlässlichkeit: Wenn in der Luftfahrt Buchungssysteme seit Jahrzehnten mit denselben Prinzipien laufen, ist das kein Zufall.
Dennoch: Die Anforderungen der Branche haben sich weiterentwickelt. Cloud-basierte Workflows, multidisziplinäre Zusammenarbeit und KI-gestützte Prozesse verlangen nach einer neuen technischen Basis – und genau hier setzt IFC 5 an.
Die bestehenden Schwachstellen der Interoperabilität
Drei strukturelle Probleme bremsen die aktuelle IFC-Generation:
- Monolithische Datenpakete: IFC-Dateien enthalten häufig viel mehr, als ein Nutzer tatsächlich benötigt. Eine einfache Abfrage – etwa nach bestimmten Bauteilen – führt oft zur Verarbeitung riesiger Dateien.
- Fehlende kollaborative Mechanismen: Heute lässt sich kein schrittweises Arbeiten realisieren. Wenn ein Fachingenieur neue Eigenschaften ergänzt, muss die gesamte Datei exportiert, bearbeitet und wieder importiert werden – ein riskanter Prozess, bei dem oft Daten verloren gehen.
- Überzogene Erwartungen: Die Vorstellung, IFC müsse vollständig verlustfreie Datenübertragung zwischen Software-Systemen ermöglichen, ist eine Illusion. Wie Angel Vélez betont, bringen alle Tools ihre eigene Logik mit – absolute Gleichheit würde Innovation verhindern.
Qualität als Fundament: Der buildingSMART Validation Service
Bevor IFC 5 vollständig eingeführt wird, legt buildingSMART großen Wert auf Datenqualität. Der neue Validation Service (unter validation.buildingsmart.org) prüft IFC-Dateien auf Normenkonformität, Struktur und Kompatibilität mit dem bSDD – dem buildingSMART Data Dictionary. So lassen sich fehlerhafte oder unvollständige Exporte frühzeitig identifizieren.
Darüber hinaus nutzt buildingSMART die gesammelten Prüfdaten, um Scorecards zu erstellen. Diese zeigen transparent, wie gut verschiedene Softwareprodukte bestimmte IFC-Funktionen (z. B. Geometrie, Eigenschaften, Infrastruktur) unterstützen – ein Schritt hin zu objektiver, messbarer Interoperabilität.linkedin
IFC 5: Modular, granular, offen für die Zukunft
IFC 5 wird mehr als nur ein Upgrade – es markiert den Beginn einer neuen Ära des digitalen Bauens.biblus.accasoftware+2
- Granulare Datenstruktur: Im Zentrum steht das Entity Component System (ECS), das Objekte in kleine, unabhängige Module zerlegt. Anstatt riesige Modelle zu laden, können Nutzer gezielt nur die benötigten Informationen abrufen – etwa die Brandschutzklassifizierung einzelner Wände.b
- Schrittweise Aktualisierungen: IFC 5 erlaubt Änderungen auf Komponentenebene. Fachdisziplinen können also kleine Datensegmente hinzufügen oder aktualisieren, ohne das ganze Modell neu zu exportieren.altersquare
- JSON statt EXPRESS: Der alte EXPRESS-Syntax wird durch leichtgewichtige JSON-Strukturen ersetzt – das verkürzt Implementierungszeiten drastisch und vereinfacht das Arbeiten mit Cloud-APIs.
- Modulare Veröffentlichung: Statt eines monolithischen „Big Bang“-Releases wird IFC 5 in Etappen veröffentlicht. Zuerst der Kern, danach Fachmodule – ein Ansatz, der schnelle Adoption und iteratives Feedback ermöglicht.biblus.accasoftware
- Cloud- und KI-kompatibel: Die kleinteilige Datenstruktur bietet eine ideale Grundlage für Cloud-Workflows, maschinelles Lernen und automatisierte Qualitätsprüfungen.
Ein gemeinsames Ziel
IFC 5 entsteht in enger Zusammenarbeit zwischen buildingSMART, Softwareherstellern und Implementierern weltweit. Dieses offene, kooperative Vorgehen stellt sicher, dass der neue Standard nicht nur technisch elegant, sondern auch praxistauglich ist.
Wie van Berlo betont: Ein Standard ist nur so gut wie seine Implementierung. Und IFC 5 schafft die Voraussetzungen, um genau das zu erreichen – durch modulare Struktur, granulare Daten und echte Zusammenarbeit.
Fazit
Noch setzt die Mehrheit der Branche auf IFC 2×3 – ein zuverlässiger, bewährter Standard. Doch IFC 5 bereitet den Weg in eine neue Ära: leicht, modular, cloudfähig. Es macht aus statischen Austauschformaten ein lebendiges Datennetzwerk, das der dynamischen Realität moderner Projekte endlich gerecht wird.
Interoperabilität bedeutet künftig nicht mehr, Dateien zu versenden – sondern gemeinsam am selben, lebenden Datensatz zu arbeiten. Genau das ist der Paradigmenwechsel, den IFC 5 verspricht.
Linksammlung zu diesem Thema:
https://www.buildingsmart.es/2024/12/03/the-evolution-of-ifc-the-path-to-ifc5
https://github.com/buildingSMART/IFC5-development
https://technical.buildingsmart.org/services/validation-service/
https://altersquare.io/ifc4-vs-ifc5-what-the-upcoming-standard-means-for-your-roadmap/